Stellungnahme der Achse zum Entwurf eines Gesetzes

03.09.2015 09:07
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2.9.2015 -
Stellungnahme der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversor- gung (Krankenhaus-Strukturgesetz – KHSG)
Gesetzesentwurf der Fraktion der CDU/CSU und SPD vom 30.6.2015


Die ACHSE setzt sich als Dachverband von 120 Selbsthilfeorganisationen für die Belange von den geschätzten 4 Millionen Menschen, die in Deutschland mit einer Seltenen Er- krankung leben, ein. Zusammen mit dem BMG und dem BMBF koordiniert die ACHSE die Arbeit des Nationalen Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE). Die drei koordinierenden sowie 25 weitere wichtige Akteure dieses Bündnisses haben sich im Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen zur Umsetzung von 52 Maßnahmenvorschlägen verpflichtet. Das Krankenhaus-Strukturgesetz bietet eine gute Gelegenheit, wichtige Maßnahmen des Nationalen Aktionsplanes umzusetzen. Die Neuregelungen sollten die Interessen der Menschen mit Seltenen Erkrankungen berück- sichtigen.
Eine Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung muss auch die not- wendigen Änderungen für eine optimale Versorgung von Menschen mit Seltenen Erkrankungen enthalten. Das deutsche Gesundheitswesen ist eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, welches in der Lage wäre, eine optimale Versor- gung auch für Menschen mit Seltenen Erkrankungen zu bieten. Dass dies den- noch regelmäßig nicht gelingt, liegt an den Strukturen der Versorgung. Das Krankenhaus-Strukturgesetz bietet die Chance, die Rahmenbedingungen für das im NAMSE festgelegte und von der Bundesregierung gebilligte Zentrenmodell zu verbessern. Nur solche Zentren, die gut mit der Versorgung in der Fläche ver- netzt sind, könnten die multiprofessionelle, interdisziplinäre und intersektorale Versorgung sicherstellen, die Menschen mit Seltenen Erkrankungen länger und besser leben lässt. Die Politik hat eine Verantwortung aufgrund der vorliegen- den Erkenntnisse zu handeln und dies zu ermöglichen.


1 ÄNDERUNG DES KRANKENHAUSFINANZIERUNGSGESETZES - QUALITÄT ALS KRITERIUM DER KRANKENHAUSPLANUNG



Die ACHSE begrüßt ausdrücklich, dass die Qualität der Versorgung als weiteres Kriterium bei der Krankenhausplanung eingeführt wird. Eine qualitativ hochwertige sowie patien- tengerechte Versorgung soll unbedingt das Ziel einer Krankenhausplanung sein. Für den

Erfolg der Regelung wird essentiell sein, wie Qualität definiert und überprüft wird. Außer- dem wird es wichtig sein, wie mit festgestellten Qualitätsmängeln umgegangen wird, wenn diese noch nicht einen so gravierenden Eingriff wie den Ausschluss aus der Kran- kenhausplanung rechtfertigen. Die Patienten haben Anspruch auf Transparenz über die festgestellten Mängel und auf umgehende Maßnahmen, um sie so schnell wie möglich zu beheben.


2 ZUSCHLÄGE FÜR ZENTREN – BEITRAG ZUR FINANZIERUNG UND REALI- SIERUNG DER NAMSE-ZENTREN?


Das NAMSE empfiehlt im Nationalen Aktionsplan die Bildung von Zentren für Seltene Er- krankungen auf drei arbeitsteilig gegliederten und miteinander vernetzten Ebenen (soge- nannte A-, B-und C-Zentren – siehe Maßnahmenvorschläge 1-3). Eine orientierende Kri- terienliste zur Definition dieses dreistufigen Zentrenmodells wurde mit dem Nationalen Aktionsplan verabschiedet (siehe Anhang 2 des Plans) und wird zurzeit in einer Kern- gruppe konkretisiert. Es ist Konsens, dass eine zusätzliche Finanzierung notwendig ist, damit die Zentren diese gewünschten Kriterien auch (nachhaltig) erfüllen können. Es be- steht noch keine Einigung, wie hoch dieser Mehrbedarf ist.
Die Neuformulierung des § 2 Absatz 2 Krankenhausentgeltgesetzes wird das Leben von Menschen mit Seltenen Erkrankungen leider nicht nachhaltig positiv beeinflussen. Es ist unwahrscheinlich, dass aufgrund dieser Regelung in nen- nenswertem Umfang Zuschläge vereinbart werden, die den Mehraufwand der Zentren für Seltene Erkrankungen abbilden.


2.1 Zuschlagsberechtigung wird für Seltene Erkrankungen nicht greifen

Im Krankenhausfinanzierungsgesetz ist momentan gemäß § 17b Abs. 1 S. 4 geregelt, dass „Soweit allgemeine Krankenhausleistungen nicht in die Entgelte nach Satz 1 einbe- zogen werden können, weil der Finanzierungstatbestand nicht in allen Krankenhäusern vorliegt“, „bundeseinheitlich Regelungen für Zu- oder Abschläge zu vereinbaren“ sind,
„insbesondere für (…) die besonderen Aufgaben von Zentren und Schwerpunkten nach
§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 des Krankenhausentgeltgesetzes (…).“ Diese Regelung wird in
§ 17b 1a neu abgeändert, so dass nun „insbesondere für (….) 2. die besonderen Aufga- ben nach § 2 Absatz 2 Satz 2 Nummer 4 des Krankenhausentgeltgesetzes“ bundesein- heitliche Regelungen für Zu- oder Abschläge zu vereinbaren sind.
§ 2 Abs. 2 des Krankenhausentgeltgesetzes werden jetzt folgende Sätze angefügt: „Be- sondere Aufgaben nach Satz 2 Nummer 4 setzen deren Ausweisung und Festlegung im Krankenhausplan des Landes oder eine gleichartige Festlegung durch die zuständige Lan- desbehörde im Einzelfall gegenüber dem Krankenhaus voraus. Die besonderen Aufgaben umfassen nur Leistungen, die nicht bereits durch die Fallpauschalen, nach sonstigen Re- gelungen dieses Gesetzes oder nach § 65c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vergütet

werden; sie können auch Leistungen, die nicht zur unmittelbaren stationären Patienten- versorgung gehören, umfassen.“
Mit dem neuen Satz 4 soll laut Begründung ausdrücklich klargestellt werden, dass Vo- raussetzung für eine Zuschlagsberechtigung die Wahrnehmung besonderer Aufgaben ist, die der Einrichtung durch Entscheidung des jeweiligen Landes zugewiesen sind. Dabei kann der besondere Versorgungsauftrag im Krankenhausplan des Landes oder durch eine gleichartige Festlegung im Einzelfall erteilt werden.
Welche Aufgaben übernommen werden sollten, um die Versorgung von Men- schen mit Seltenen Erkrankungen sicherzustellen, kann jedoch nicht auf Lan- desebene koordiniert werden. Seltene Erkrankungen werden in der Regel nicht in jedem Bundesland versorgt werden können, manche Erkrankungen noch nicht einmal in jedem Europäischen Mitgliedsstaat. Wie die Zentren für Seltene Erkrankungen aufgrund dieser Regelung tatsächlich in den Genuss von Zuschlä- gen kommen sollten, ist uns leider nicht ersichtlich.
Der ACHSE ist nicht bekannt, dass aufgrund der bisherigen Regelung im rele- vanten Umfang zur Finanzierung von Zentren für Seltene Erkrankungen Zu- schläge vereinbart wurden. Es ist sicher, dass dies nicht dadurch verbessert wird, dass die besonderen Aufgaben dieser Zentren in den 16 Krankenhausplä- nen gegenüber den einzelnen Krankenhäusern ausgewiesen und festgelegt werden sollen.


2.2 Zentren für Seltene Erkrankungen - besondere Aufgaben


Besondere Aufgaben können sich laut § 9 Abs. 1(a) neu Krankenhausentgeltgesetz erge- ben aus (siehe Nr. 9, S. 17 Gesetzesentwurf):
a) einer überörtlichen und krankenhausübergreifenden Aufgabenwahrnehmung,
b) der Erforderlichkeit von besonderen Vorhaltungen eines Krankenhauses, insbeson- dere in Zentren für Seltene Erkrankungen, oder
c) der Notwendigkeit der Konzentration der Versorgung an einzelnen Standorten we- gen außergewöhnlicher technischer und personeller Voraussetzungen.
Zentren für Seltene Erkrankungen werden in der Regel eine oder gleich mehrere dieser Vorgaben erfüllen. Durch die Seltenheit der Erkrankungen ist die Aufgabenwahrnehmung immer „überörtlich“ und eine „Notwendigkeit der Konzentration der Versorgung an ein- zelnen Standorten wegen außergewöhnlicher technischer und personeller Voraussetzun- gen“ ist ebenfalls immer gegeben. Da die Erkrankungen selten sind, ist auch die Exper- tise selten und in der Regel nicht in jedem Bundesland vorhanden, manchmal noch nicht mal in Deutschland, sondern nur in einem anderen europäischen Mitgliedsstaat. Alle Zen- tren müssen sich an einer krankenhausübergreifender Koordination beteiligen. Dazu gibt es regelmäßig die Erforderlichkeit von besonderen Vorhaltungen.



FORDERUNG DER ACHSE:

Die ACHSE wünscht sich eine Regelung, die Zuschläge für die Zentren für Selte- ne Erkrankungen ermöglicht, die aufgrund des NAMSE-Anerkennungsverfahren als solches anerkannt wurden (sei es aufgrund des vorerst vorläufigen Aner- kennungsverfahren oder aufgrund des später noch zu entwickelnden Zertifizie- rungsverfahrens). Es muss eine Lösung gefunden werden, bei der die einzelnen Zentren ihren Zuschlag nicht individuell verhandeln müssen!
Um dies zu ermöglichen, sollte zumindest folgende Ergänzung von § 2 Abs. 2 Krankenhausentgeltgesetz gestrichen werden: „Besondere Aufgaben nach Satz 2 Nummer 4 setzen deren Ausweisung und Festlegung im Krankenhausplan des Landes oder eine gleichartige Festlegung durch die zuständige Landesbehörde im Einzelfall gegenüber dem Krankenhaus voraus.“ Durch die Vielfalt der Selte- nen Erkrankungen sind die entsprechenden Aufgaben im Vornhinein nur schwer fassbar und für den Krankenhausplan nicht eingrenzbar. Die meisten Seltenen Erkrankungen sind so selten, dass eine Versorgung in jedem Bundesland nicht sinnvoll oder machbar ist. Die Ausweisung im Krankenhausplan stellt eine zu- sätzliche verfahrensmäßige Erschwernis da, die angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung sich die Ziele des Nationalen Aktionsplans für Menschen mit Seltenen Erkrankungen zu eigen gemacht hat, nicht nachvollziehbar ist.

Gruß Bernd

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