Erstattung von Fahrtkosten in der gesetzlichen Krankenversicherung

27.08.2015 19:06
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ACHSE Informationsblatt – Selbsthilfe hilft einander1

Thema: Fahrtkosten zu einem Arzt/Klinik
Kategorie: Sozialrecht
Subkategorie Fahrtkosten
Stand der Bearbeitung:2 25.08.2015
Autor:3 Regina Zeiner


Erstattung von Fahrtkosten
in der gesetzlichen Krankenversicherung
1 Das Wichtigste in Kürze 1
2 Kostenübernahme für Fahrten zu Krankenbehandlungen: 2
2.1 Voraussetzungen: 2
2.2 Ausnahmen für ambulante Krankenfahrten: 3
3 Fahrzeugart: 3
4 Praxistipps 4
5 Zuzahlung 4
6 Keine Kostenübernahme: 4
7 Exkurs freie Arztwahl 4
8 Richtlinien und Gesetzesquellen: 5
9 Wer hilft weiter: 5
10 Beispiele 6
1 Das Wichtigste in Kürze:
Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben nur einen Anspruch auf Erstattung von Fahrtkosten, die in einem Zusammenhang mit einer medizinischen Versorgung stehen, zwin- gend notwendig sind und vom Arzt verordnet wurden. Bei ambulanten Behandlungen gibt es nur in den wenigsten Fällen eine Kostenübernahme, die unbedingt vorab mit der Krankenkasse geklärt werden sollte. In jedem Fall müssen Fahrscheine, Quittungen und Bescheinigungen auf- bewahrt werden.

2 Kostenübernahme für Fahrten zu Krankenbehandlungen:

Die Krankenkasse übernimmt Fahrtkosten im Rahmen einer Krankenbehandlung in folgender Form:

 Bei Leistungen, die stationär erbracht werden.
o Dazu zählen auch stationäre Vorsorgeleistungen (§23 Abs. 4 SGB V), medizinische Vorsorge für Mütter (§ 24 SGB V), stationäre Hospizleistungen (§ 39a Abs. 1 SGB V) und stationäre Entbindung (§ 24 f SGB V).

o Achtung: dies gilt bei einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus nur, wenn die Ver- legung aus zwingenden medizinischen Gründen (keine organisatorischen Gründe) notwendig ist
oder
bei einer mit Einwilligung der Krankenkasse erfolgten Verlegung in ein wohnortna- hes Krankenhaus

 für Rettungsfahrten zum Krankenhaus, wenn der Patient aufgrund seines Zustands mit ei- nem qualifizierten Rettungsmittel (Rettungswagen, Notarztwagen, Rettungshubschrauber) transportiert werden muss, auch wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich wird/ist.

 für Krankentransporte, wenn der Versicherte eine fachliche Betreuung oder die besondere Einrichtung des Krankentransportwagens (KTW) braucht, z.B. bei schweren, ansteckenden Krankheiten,
o zu stationären Leistungen
o zu ambulanten Behandlungen nur nach vorheriger Genehmigung durch die Kranken- kasse

 für Krankenfahrten, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln, privaten Kraftfahrzeugen, Mietwa- gen oder Taxen durchgeführt werden, zu:
o stationären Leistungen (§ 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V)
o ambulanten vor- und nachstationären Behandlungen im Krankenhaus (§ 115 a SGB
V) bzw. ambulanten Operationen im Krankenhaus oder in Vertragsarztpraxen (§ 115 b SGB V) mit damit in Zusammenhang stehender Vor- oder Nachbehandlung nur, wenn dadurch eine stationäre Behandlung vermieden oder verkürzt wird

2.1 Voraussetzungen:

Die Krankenkasse übernimmt Fahrtkosten in der Regel nur unter folgenden Bedingungen:

 Zwingende medizinische Gründe
Keine zwingenden medizinischen Gründe sind z.B.:
o Fahrten zur Abstimmung von Terminen
o Erfragen von Befunden
o Abholen von Verordnungen
o finanzielle oder religiöse Gründe
 Nächste Behandlungsstätte, d.h.:
Kosten bis zur nächsterreichbaren geeigneten Behandlungsstätte und zurück
Ausnahme: es besteht ein zwingender medizinischer Grund für die Behandlung an einem entfernteren Ort (Überweisung durch den Arzt)
 mit ärztlicher Verordnung (vollständig und nachvollziehbar)
 mit ärztlicher Begründung zur Wahl des Beförderungsmittels

 Leistungsempfänger sind die Versicherten selbst. Nur in Ausnahmekonstellationen, wenn medizinisch notwendig, können auch die Kosten für Begleitpersonen erstattet werden (ge- mäß § 11 SGB V)

2.2 Ausnahmen für ambulante Krankenfahrten:

Fahrt- und Transportkosten kann die Krankenkasse (sie muss also nicht) in folgenden Fällen übernehmen:

 Häufige Therapie bei bestimmten Erkrankungen
Fahrten zur ambulanten Behandlung, wenn der Patient an einer Grunderkrankung leidet, die (1) eine bestimmte Therapie erfordert,
die (2) häufig und über einen längeren Zeitraum erfolgen muss
und (3) der zu dieser Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist, z.B. Dialysebehandlung, onkologische Strahlen- oder Chemotherapie. Dies muss vom Arzt attestiert werden.

 Schwerbehinderte/Pflegebedürftige

Fahrten zur ambulanten Behandlung, wenn der Versicherte einen Schwerbehinder- tenausweis mit dem Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), dem Merkzeichen Bl (blind) oder dem Merkzeichen H (hilflos) hat oder die Pflegestufe 2 oder 3 bei Verordnung durch einen Einstufungsbescheid nachweisen kann. Für Per- sonen, die von einer vergleichbaren Beeinträchtigung ihrer Mobilität betroffen sind und einer Behandlung über einen längeren Zeitraum bedürfen, können die Fahrten vom Arzt verordnet und von der Krankenkasse erstattet werden.

Die Krankenkasse muss die Fahrten jeweils vorher genehmigen.

3 Fahrzeugart:

Bei der Wahl des Fahrzeugs ist die zwingende medizinische Notwendigkeit des Einzelfalls unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots maßgeblich. Die folgende Rangfolge ist einzuhalten, d.h.
2. wird nur bezahlt, wenn 1. nicht benutzt werden kann.

1. Öffentliche Verkehrsmittel unter Berücksichtigung von Fahrpreisermäßigungen

2. Taxi oder Mietwagen (für den direkten Weg)

3. Krankenwagen oder Rettungsfahrzeug
4. Privates Kraftfahrzeug nur maximal bis zur Höhe der Benutzung der unter 1. bis 3. ge- nannten Verkehrsmittel. Die Kosten für ein privates Kraftfahrzeug werden in der Höhe er- stattet, die für ein öffentliches Verkehrsmittel unter Berücksichtigung aller Fahrpreiser- mäßigungen angefallen wären. Ansonsten gilt das aktuelle Bundesreisekostengesetz mit derzeit 20 ct je gefahrenen Kilometer. Werden im Fahrtkostenantrag keine Angaben zu den alternativ nutzbaren öffentlichen Verkehrsmitteln und zur Höhe der Fahrpreise ge- macht, wird in der Regel ein Durchschnittswert mit einer Pauschale von 13 ct je gefahre- nen Kilometer erstattet.

4 Praxistipps:

Für die Kostenerstattung müssen vorgelegt werden:

 alle Fahrscheine/Fahrausweise und
 Bestätigung der Klinik/Kurklinik, des Arztes oder Therapeuten, dass und zu welchem Zweck die Behandlung stattgefunden hat.
Wenn die Fahrt zur Krankenbehandlung aus medizinischen Gründen nur mit Taxi oder Mietwa- gen möglich ist, dann muss dies vom behandelnden Arzt schriftlich bestätigt werden. Vordrucke dazu sind in der Regel in Arztpraxen vorhanden.

5 Zuzahlung:

Der Patient zahlt in jedem Fall 10 % der Fahrtkosten selbst, mindestens jedoch 5,- € und höchs- tens 10,- €. Es müssen aber nie mehr als die tatsächlichen Kosten bezahlt werden. Dies gilt für je- de einfache Fahrt, unabhängig vom Verkehrsmittel, und auch für wiederholt notwendige Fahrten wie z.B. zur Dialyse.
 Achtung: Dies gilt auch für Kinder und Jugendliche.
 Befreiung:
Die Befreiung von der Zuzahlung ist bei Überschreiten der individuellen Belastungsgrenze möglich (Zuzahlungsbefreiung).

6 Keine Kostenübernahme:

Keine Übernahme von Kosten

 für Aufwendungen des Patienten für Verpflegung, Übernachtung und Gepäcktransport, aber Erstattung von Fahr- und anderer Reisekosten bei Fahrten in Verbindung mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem SGB IX
 eines Rücktransports aus dem Ausland
 zum Rehasport/Funktionstraining
 zu Heilmittelbehandlungen
 bei Leistungen der Pflegeversicherung (z.B. von der Wohnung in ein Pflegeheim)

7 Exkurs freie Arztwahl:

Ein Patient hat grundsätzlich das Recht, den Arzt seines Vertrauens frei zu wählen (gemäß Art. 2 GG). In Deutschland gibt es allerdings Einschränkungen bei der freien Arztwahl. In der gesetzli- chen Krankenversicherung können nur die an der vertragsärztlichen (die Ärzte, die mit der Kran- kenkasse einen Vertrag abgeschlossen haben) Versorgung teilnehmenden Ärzte bzw. Zahnärzte frei gewählt werden.

 Sonderfall: freiwillige Teilnahme an
o Hausarztzentrierter Versorgung
o andere Selektivverträge
Hier ist die freie Arztwahl eingeschränkt
 Ausnahme: im Notfall dürfen auch andere Ärzte in Anspruch genommen werden.
 Bei Missachtung o.g. Grundsätze hat der Versicherte die Mehrkosten zu tragen.

 Versicherte sollen grundsätzlich den Arzt innerhalb des Kalendervierteljahres (Quartal) nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln.

 Nächsterreichbarer Arzt:
Nimmt der Versicherte einen anderen als den nächsterreichbaren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt in Anspruch, muss er die Mehrkosten tragen (§ 76 Abs. 2 SGB V). Dies hat im Wesentlichen nur noch bei den Fahrtkosten eine praktische Bedeutung, indem keine oder nur anteilig Fahrtkosten erstattet werden.

Ausnahme:
es liegt ein zwingender medizinischer Grund vor. In dem Fall muss eine vorherige Genehmigung der Krankenkasse eingeholt werden.
Anmerkung: Ein besonderes Vertrauensverhältnis zu einem Arzt allein stellt keine Notwendigkeit dar.

8 Richtlinien und Gesetzesquellen:

 Richtlinien:
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Verordnung von Krankenfahrten, Krankentrans- portleistungen und Rettungsfahrten Richtlinien erstellt.
https://www.g-ba.de/downloads/62-492-74/...-2004-12-21.pdf

 Gesetze:
§ 60 SGB V, § 76 SGB V, Bundesreisekostengesetz, Art. 2 Abs. 1 GG

 Weitere Quellen:
o http://www.betanet.de/betanet/portal
o http://juris.bundessozialgericht.de/cgi- bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=12700 (B 3 KR 17/11 R)
o http://openjur.de/u/138443.html (LSG NRW vom 25.2.2009, L 16 B 1 / 09 KR ER)
o Becker/Kingreen: SGB V Kommentar. München: C.H.Beck OHG, 2014, 4. Auflage.
o Kassenärztliche Vereinigung Thüringen – Rundschreiben 7/2013 „Verordnung einer Kran- kenbeförderung“
o http://www.kvwl.de/arzt/recht/kbv/bmv-ae/bmv-ae.pdf (Bundesmantelvertrag Ärzte)
o http://www.bagp.de/dokumente/bagp/praep2013webseite.pdf (BAGP Patientenstellen
„Patientenrechte Ärztepflichten)

9 Wer hilft weiter:

 Krankenkassen
 das Bürgertelefon des Bundesministerium für Gesundheit zum Thema Krankenversicherung Tel. 030 3406066-01,
Montag bis Donnerstag: 8:00 bis 18:00 Uhr und Freitag von 8:00 bis 12:00 Uhr
 Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) mit dem bundesweiten Beratungstele- fon
Montag bis Freitag: 10:00 bis 18:00 Uhr und Donnerstag von 10:00 bis 20:00 Uhr a Tel. 0800 0 11 77 22 (gebührenfrei im Festnetz*)
b Tel. für Anrufe aus dem Mobilnetz: 030 34 04 84 48*
*Die Kosten für Anrufe aus dem Mobilfunknetz werden nicht übernommen

10 Beispiele:


1. Beispiel:

Frau Müller leidet unter einer Seltenen Erkrankung und lebt mit ihrer Familie in Stadt A. Sie muss sich, aufgrund ihrer Seltenen Erkrankung, einer stationären Operation unterziehen. Diese möchte sie in der 300 km entfernten Stadt B durchführen lassen. Das Krankenhaus in der Stadt B ist ein ausgewiesenes Expertenzentrum für die Behandlung ihrer Seltenen Er- krankung. Eine Behandlung in Wohnortnähe ist nachgewiesenermaßen nicht möglich, da es keinen Arzt dort gibt, der als Experte auf dem Gebiet dieser Seltenen Erkrankung tätig bzw. anerkannt ist. Ihr Arzt verordnet ihr einen Krankentransport von ihrer Wohnung aus in die Klinik der Stadt B, weil sie zudem auf die kontinuierliche Gabe von Sauerstoff angewiesen ist.

Ergebnis:
o Normalerweise keine vorherige Genehmigung bei der Krankenkasse zu stationären Leistungen wie einer Operation notwendig.
o Da es sich zunächst aber nicht um das nächsterreichbare Krankenhaus handelt, wird die vorherige Kontaktaufnahme mit der Krankenkasse empfohlen, um sich die Fahrt sicherheitshalber genehmigen zu lassen. Nachweis der Ungeeignetheit der Kliniken in Wohnortnähe erforderlich.

2. Beispiel:

Herr Schmidt möchte sich ambulant bei seinem Hausarzt Blutabnehmen lassen. Er nimmt sich ein Taxi, da ihm öfter schwindelig ist und er sich im Straßenverkehr unsicher fühlt. Im Anschluss möchte er die Taxikosten von seiner Krankenkasse erstattet haben.

Ergebnis:
Die Krankenkasse wird ablehnen, weil
o Keine ärztliche Verordnung mit Auswahl des Beförderungsmittels vorlag
o Es eine einmalige Untersuchung ist und damit nicht zu den Ausnahmen der ambulan- ten Krankenfahrt gehört
o Keine vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse erteilt worden ist

3. Beispiel:

Bei Linus (12 Jahre alt) wurde eine Pflegestufe 2 festgestellt. Er muss mit seiner Mutter alle drei Monate zu seinem betreuenden Facharzt zu Kontrolluntersuchungen. Der Arzt stellt je- weils eine Verordnung für den Hin- und Rückweg aus und schreibt dazu, dass für Linus eine Begleitperson zwingend erforderlich ist. Die Mutter kann ihn mit ihrem privaten PKW zum Arzt fahren und geht vor der ersten Fahrt zu Linus Krankenkasse.

Ergebnis:
Die Krankenkasse wird die Fahrtkosten nach dem aktuellen Tarif des Bundesreisekostenge- setz für Linus und seine Mutter bezahlen, da
o bei Linus eine Pflegestufe 2 festgestellt wurde
o die Mutter eine vorherige Genehmigung eingeholt hat
o eine Verordnung ordnungsgemäß ausgefüllt wurde und aus zwingenden medizini- schen Gründen heraus, eine Begleitperson für erforderlich gehalten wird.



1 Frau Rechtsanwältin Mirjam Mann leitet das Projekt „Selbsthilfe hilft einander“. Ihr obliegt die Anleitungspflicht gemäß
§ 6 Abs. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz, wenn und soweit dieses Informationsblatt eine Rechtsdienstleistung i.S.v.
§ 2 Rechtsdienstleistungsgesetz darstellt.
2 Zu diesem Zeitpunkt wurden die Rahmenbedingungen und Rechtsfragen geklärt, die für die Beantwortung der Frage wich-
tig sind. Wenn Sie dieses Infoblatt zu einem späteren Zeitpunkt zur Klärung einer sich Ihnen stellenden Frage benutzen, müssen Sie für sich überprüfen oder von einem sachkundigen Dritten prüfen lassen, ob die Rechtslage unverändert ist und welche Regelungen auf Ihrem Fall genau anwendbar sind. Bitte bedienen Sie sich hierzu der angegebenen Quellen und den sonstig üblichen Verfahren zur Verifikation.
3 Diese Frage wurde nach besten Wissen und Gewissen beantwortet. Weder die ACHSE noch der Autor dieser Antwort übernimmt die Gewährleistung, dass diese Antwort richtig und vollständig ist.

Gruß Bernd

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