Versicherte haben Anspruch auf Gutachterauswahl

21.08.2015 08:48 (zuletzt bearbeitet: 21.08.2015 21:54)
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Mitwirkung schafft Vertrauen:
Versicherte haben einen Anspruch auf Gutachterauswahl
Versicherte haben seit einigen Jahren ein Recht darauf, den Gutachter im Verwaltungsverfahren selbst auszuwählen.

Wenn ein Arbeitsunfall gemeldet wird oder Verdacht auf eine Berufskrankheit besteht, ist die Berufsgenossenschaft verpflichtet, alle tatsächlichen Umstände, die entscheidungsrelevant sind, zu ermitteln und in das Verfahren einzubeziehen (Amtsermittlungsprinzip). Sie bedient sich dabei aller Beweismittel, die sie zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie nimmt frühzeitig Kontakt mit den Versicherten auf, holt Auskünfte ein, hört Beteiligte, Zeugen und Sachverständige, um die Ansprüche des Verletzten oder Erkrankten so schnell wie möglich zu sichern.

Die Berufsgenossenschaft versteht sich im Verfahren als „Anwalt“ des Verletzten. In dieser Funktion sorgt sie nicht nur für eine optimal medizinische, berufliche und soziale Rehabilitation unter Ausschöpfung aller geeigneten Mittel, sondern achtet auch bei der Gutachterauswahl darauf, dass die Interessen des Verletzten oder Erkrankten umfassend berücksichtigt werden. Richtschnur für die Auswahl der Gutachter ist die Erstattung eines sachlich richtigen, verwertbaren Gutachtens. Dazu gehört vor allem, dass unparteiliche und objektive Beurteilungen erwartet werden können.

Rechtsgrundlagen und Verfahren bei Begutachtungen
In der öffentlichen Diskussion wurden immer wieder Zweifel an der Neutralität der Gutachter geäußert. Das hat bei den betroffenen Versicherten zu Unsicherheiten und zu Misstrauen gegenüber den Entscheidungen der Berufgenossenschaft geführt. Um dem entgegenzuwirken, wurde im § 200 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches VII (SBG VII) ein Anspruch des Versicherten auf Auswahl eines Gutachters verankert. Auf Grund dieser Vorschrift schlägt die Berufsgenossenschaft dem Versicherten vor einer Begutachtung in der Regel drei Gutachter zur Auswahl vor.

Unter den vorgeschlagenen Gutachtern ist bei Arbeitsunfällen normalerweise auch der behandelnde Durchgangsarzt. Durch das während des Heilverfahrens entstandene Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ist gewährleistet, dass der Versicherte Vertrauen in die Kompetenz und Objektivität des Arztes hat.

Auch bei anderen als Gutachter benannten Durchgangsärzten können die Versicherten davon ausgehen, dass keine Zweifel an der fachlichen Qualifikation und Neutralität bestehen. Durchgängsärzte müssen von den Landesverbänden der Berufsgenossenschaften zugelassen sein. Voraussetzung für die Zulassung ist neben der besonderen Qualifikation bei der Behandlung von Unfallverletzungen auch der Nachweis, dass Kenntnisse und Erfahrungen in der Unfallbegutachtung bestehen.

Bei der Begutachtung wird der Durchgangsarzt als unabhängiger Sachverständiger tätig. Als unabhängiger Sachverständiger ist er zur Objektivität verpflichtet und muss insbesondere auch alle für den Versicherten positiven Fakten im Gutachten berücksichtigen.

Besondere vertragliche Beziehungen bestehen nur zwischen den Berufsgenossenschaften und den Beratungsärzten. Beratungsärzte haben verwaltungsintern unter anderem die Aufgabe, die Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft bei der Aufklärung des medizinischen Sachverhalts zu unterstützen, den Erfolg der durchgeführten Heilmaßnahmen zu überprüfen und Vorschläge zur weiteren Heilbehandlung zu erarbeiten. Bei Begutachtungen sind selbstverständlich auch Beratungsärzte zur Überparteilichkeit verpflichtet. Als vertrauensbildende Maßnahme weist die Berufsgenossenschaft den Versicherten auf die vertraglichen Beziehungen zur Berufsgenossenschaft hin, wenn ein Beratungsarzt als Gutachter vorgeschlagen wird.

Nicht immer ist es der Berufsgenossenschaft möglich, drei Gutachter zu benennen, die über die notwendigen Spezialkenntnisse und Erfahrungen verfügen. Insbesondere bei Berufskrankheiten kann es schwierig sein, geeignete Gutachter zu finden. Wenn noch keine breiten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen der Einwirkung eines Arbeitsstoffes und einer Erkrankung vorliegen, kann es sein, dass nur wenige Gutachter die erforderlichen Fachkenntnisse auf diesem Spezialgebiet besitzen. Dann kann die Berufsgenossenschaft dem Versicherten lediglich zwei oder auch nur einen Gutachter vorschlagen. Die Beurteilung durch einen Gutachter kann erheblichen Einfluss auf den Verlauf des weiteren Verfahrens haben. Daher wurde den Versicherten bei der Gutachterwahl ein Auswahlrecht eingeräumt. HVBG Brücke 6/05 27 Im Anschreiben zur Gutachterauswahl wird der Versicherte daraufhin gewiesen, dass er innerhalb einer Frist von 14 Tagen Gelegenheit hat, einen Gutachter auszuwählen. Er wird informiert, welchen Gutachter die Berufsgenossenschaft beauftragen wird, falls er sich innerhalb der Frist nicht äußert.

Ungeachtet des Auswahlverfahrens nach § 200 SGB VII kann der Versicherte generell anregen, einen bestimmten Arzt mit der Gutachtenerstattung zu beauftragen. Diese Anregung ist für die BG nicht zwingend. Sie wird aber den Vorschlag aufgreifen, wenn zu erwarten ist, dass die maßgeblichen medizinischen Fachkenntnisse, die notwendigen Spezialkenntnisse und besondere Erfahrungen bei der Unfallbegutachtung oder im Berufskrankheitenrecht vorliegen.

Kommt die BG zu der Auffassung, dass der vom Versicherten vorgeschlagene Gutachter ungeeignet ist, muss sie die Gründe dem Versicherten darlegen. Ein Grund für die Ablehnung kann z.B. sein, dass bei chirurgischen Unfallfolgen ein Internist oder ein Hausarzt als Gutachter gewünscht wird.

Unterlässt es die BG, vor einer Begutachtung dem Versicherten einen oder mehrere Gutachter zu benennen, liegt ein Verfahrensfehler vor. Umstritten ist, ob der Versicherte dehalb Anspruch auf eine neue Begutachtung hat. Unabhängig von einem formal-rechtlichen Anspruch des Versicherten auf eine neue Begutachtung sollte die BG in diesen Fällen dem Versicherten das Gutachten zur Kenntnis geben und ihm anbieten, eine neue Begutachtung unter Beachtung des Auswahlrechts durchzuführen.

Es ist auch möglich, dass sich die Berufsgenossenschaft vor der Begutachtung mit dem Versicherten auf einen bestimmten Gutachter einigt. In diesem Fall kann auf das Auswahlverfahren verzichtet werden.

Versicherte und Berufsgenossenschaft bewerten das Verfahren positiv
Bei den Versicherten ist das Auswahlverfahren auf eine positive Resonanz gestoßen. Nach einer Erhebung des Hauptverbandes bei den Berufsgenossenschaften zur Gutachterauswahl haben nur 6 % der Versicherten selbst einen Gutachter vorgeschlagen. 94 % der Versicherten haben sich für einen von der BG vorgeschlagenen Gutachter entschieden.

Dieses Ergebnis zeigt, dass bei den Versicherten ein hohes Maß an Vertrauen in die Qualifikation und Unabhängigkeit der von der BG vorgeschlagenen Gutachter besteht

Gruß Bernd


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